Todesurteil

Aus einer systemischen Sichtweise (z.B. Luhmann pdf) heraus gehört das gesellschaftlich institutionalisierte Rechtssystem, kurz die Rechtstaatlichkeit, eingebettet in breitere gesellschaftliche Prozesse. Sicherlich hat sich die Sicht auf Strafen, wie die Todesstrafe, mit Foucault verändert, aber wesentliche Beiträge von Philosophen und Literaten hatten die Unhaltbarkeit der Todesstrafe nach ergangenem Todesurteil lange vorher kritisiert. Victor Hugo hatte bereits in seinem Werk „Der letzte Tag eines Verurteilten“ dramatisch geschildert, wie sich Hoffnung und Ängste aufdrängen. Justiz soll keine „Siegerjustiz“ sein, sie bleibt aber bestimmt durch mehr oder weniger demokratisch legitimierte Rechtssysteme und die geltenden Machtverhältnisse in Staaten dieser Welt. Drogendelikte und ihre unterschiedliche Handhabung in Staaten (selbst Staaten innerhalb der Vereinigten Staaten) verdeutlichen eine gesellschaftliche Ko-determination von Recht, Rechtsprechung, Rechtausübung, Rechtdurchsetzung und des staatlichen Gewaltmonopols. Eine Ausstellung im Arsenal (Bibliothèque nationale de France) zur Abschaffung der Todesstrafe in Frankreich vor 40 Jahren zu Ehren von Robert Badinter, einer treibenden Kraft und eloquentem Redner, bot eindringliche Bilder eines langen Kampfes zur Abschaffung einer brutalen Prazis der Bestrafenden. Eine traurige Ironie des Schicksals ist die nahezu gleichzeitige Abschaffung der Todesstrafe in der DDR mit der Hinrichtung von Werner Teske, einem fluchtwilligen, enttarnten Spion zu Mauerzeiten. Auf Spionage steht in noch mehr Ländern die Todesstrafe als außerordentlicher Tatbestand. Aktuelle Berichte aus Berlin, Tiergartenmord, Vergiftung in London oder Wikileadsgefährdungen lassen die langen Arme von Geheimdiensten auch heute fürchten. Die größte gesellschaftliche Gefahr findet dann in sich entkoppelnden Rechtssystemen statt, die quasi von sich aus Prozeduren starten und durchführen, die nicht mehr an die anderen gesellschaftlichen System, wie freie Presse, Parlamente und Wissenschaft angebunden sind. Die verschlossene Atmosphere des „Arsenal“ in Paris steht in starkem Kontrast zu der Weltoffenheit mit der sich die anderen Teile der Bibliothèque de France „Francois Mitterand“ präsentiert. Fortschritt braucht oft Jahrhunderte und ist vor Rückschlägen nicht sicher.

Eingang Bibliothèque Arsenal
Es war einmal