Soziologie des Krieges

Wissenschaften haben ihre eigene Agenda. Ausgehend von dem Artikel „Sociology of War“ im Handbook of Political Sociology (Janoski et al. 2005) lässt sich die Aktualitätsgetriebenheit der Wissenschaft selbst am Beispiel der Sozialwissenschaften aufzeigen. Im Beitrag von Hooks und Rice (2005) werden die „blind spots“ der Soziologie in den letzten Jahrzehnten deutlich. Im Feld der politischen Soziologie wird deutlich, wie sich die Soziologie fokussiert hat auf „domestic politics and processes“. Lediglich die großen Gesellschaftstheorien, die meist längere Zeit zurückgehen, haben oft einen direkten Bezug zu Kriegen. Der Prozess der Zivilisation von Elias (1939) baut auf die schleichende Zivilisierung der Menschen und der Menschheit. Die dramatischen Rückschläge durch Krieg und Kriegsverbrechen stellen einen nachhaltigen Rückschlag für den Prozess der Zivilisation dar. In einer kleinen Tabelle von Hooks und Rice (2005) werden die soziologischen Beiträge zwischen den Jahren 1990-94 mit denen aus 1995-99 vergleichen (s.u.) Es zeigt sich eine Halbierung der Beiträge mit Bezug zu Krieg in den 3 größten amerikanischen soziologischen Zeitschriften (S.572). Soziologie hat das Themenfeld zunehmend der Politikwissenschaft und anderen sozialwissenschaftlichen Disziplinen überlassen. Aber was fehlt uns an Wissen nun. Soziologische Studien zum Verständnis des Kriegs in der Ukraine fehlen auf mindestens 5 Ebenen. Wie ändern sich die Einstellungen und Ungleichheiten zwischen den Individuen durch solche historischen Einschnitte? Ergeben sich neue Zäsuren für Geburts- oder Kriegskohorten? Verändert sich das gesamtgesellschaftliche Machtgefüge, insbesondere von alten/neuen Eliten? Wie verschiebt sich das europäische und internationale Machtgefüge?  Was heißt das für die Zukunft Europas? Vielleicht ein Update der Schuman-Deklaration (hier). Auch neue Formen des Widerstands sind möglich. Die können viele Formen haben. Zum Beispiel so.